Am 28.11. sendete das ZDF eine einfühlsame Dokumentation über Jutta und Harald, beides Analphabeten. Offensichtlich leiden beide an einer Lese-Rechtschreib-Störung, die zur damaligen Zeit nicht erkannt und folglich auch nicht behandelt wurde. Jutta und Harald berichten offen über eine quälende Schulzeit und eine lebenslange seelische Belastung.
Die LRS wird heute gut erkannt und unter bestimmten Bedingungen besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Kostenübernahme einer qualifizierten LRS-Therapie beim zuständigen Jugendamt zu stellen.
Der Gesetzgeber sieht jedoch vor, dass die drohende seelische Behinderung mit einem ärztlichen Gutachten belegt werden muss: „Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.“
Dennoch erleben wir immer wieder, dass entsprechende Anträge mit der Begründung abgelehnt werden, das Kind sei gut in die Klassengemeinschaft integriert, habe Freunde, sei aufgeschlossen und fröhlich - so stehe es im Zeugnis! Es ist erfreulich, dass Kinder mit einer LRS heute nicht mehr unbedingt ausgegrenzt werden, aber eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist immer noch absolut gefährdet, wenn das Kind während der Schulzeit nicht ausreichend lesen und schreiben lernt. Das Bundesbildungsministerium hat die alarmierende Zahl von 7,5 Millionen Analphabeten in Deutschland wahrgenommen und will in den kommenden zehn Jahren spezielle Lernangebote für Erwachsene und andere Projekte mit 180 Millionen Euro fördern (welt.de).
Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, aber Vorsorge ist ebenso wichtig wie Nachsorge und deshalb sollten Betroffene uneingeschränkt eine qualifizierte LRS-Therapie erhalten können.